Gerichte, Behörden und die EU weisen Meta weiter in die Schranken – droht das Ende von Facebook, Instagram & Co. in Europa?

In letzter Zeit ist Facebook bzw. Meta ein bisschen kurz gekommen in meiner Berichterstattung. Man möge mir verzeihen, dies hole ich heute umfassend nach.

BGH: Keine Klarnamenpflicht, aber…

Facebook mag noble Absichten haben: Wenn jeder weiß, wer da schreibt, äußerst man sich vielleicht weniger ungehemmt als in völliger Anonymität und besteht deswegen darauf, dass das Netzwerk nur unter dem echten Namen genutzt werden kann. Wissenschaftlich belegt ist die These der respektvolleren Kommunikation nicht – eventuell stimmt sogar das Gegenteil.

Einer Frau und einem Mann aus Bayern hatte Facebook Anfang 2018 die Accounts gesperrt, weil sie Pseudonyme nutzten. Daraufhin klagten sie sich durch die Instanzen, für ihr Recht auf Privatsphäre im Internet. Sie fürchteten sich vor Shitstorms und den daraus resultierenden Folgen z.B. bei der Jobsuche bzw. der Kundenakquise und verteidigten ihr Interesse daran, ihre Meinung online anonym äußern zu dürfen. Außerdem würde eine Klarnamenpflicht – gerade auch bei heiklen Themen wie Missbrauch oder Suchtproblemen – die offene Kommunikation im Netz beschränken.

Das Oberlandesgericht München hatte Facebook noch recht gegeben: Da trotz deutschem Engagement für ein Recht auf pseudonyme Nutzung jenes keinen Eingang in die DSGVO fand, sei Facebooks Klarnamenpflicht rechtmäßig. Ende Januar urteilte nun der Bundesgerichtshof, dass aufgrund des Sperrdatums nach der Rechtslage vor der DSGVO zu entscheiden sei und kam zu dem Schluss: Facebook darf verlangen, dass Nutzer sich mit Klarnamen registrieren – zumindest intern soll Facebook also wissen dürfen, wer vor dem PC sitzt. Sichtbar für andere Mitglieder muss der Name aber nicht sein, hier sind Fantasienamen erlaubt. Diese Regel gilt nun zumindest für all jene Accounts, die vor dem 25. Mai 2018 erstellt wurden. Auch wenn in der DSGVO weder zu einer Klarnamenpflicht noch zur Verwendung von Pseudonymen etwas steht, ließ der BGH ausdrücklich offen, wie mit nach diesem Datum angelegten bzw. gesperrten Accounts umzugehen ist. Eine Klage in dieser Richtung ist sicher nur eine Frage der Zeit…

Bundesverfassungsgericht: Künast-Kommentare sind Hetze

Auch das Bundesverfassungsgericht fällte ein wegweisendes Urteil: Entgegen der vorherigen Instanzen muss Renate Künast als Person des öffentlichen Lebens nicht mehr Hate Speech aushalten als der Durchschnitts-User. Das Gericht entschied, dass Facebook Daten von Nutzern, die Künast beleidigt haben, an sie herausgeben muss, damit sie diese auf Unterlassung und Schadensersatz verklagen kann. Damit hob Karlsruhe die Entscheidungen der Berliner Zivilgerichte auf, wonach die Beleidigungen noch „haarscharf an der Grenze des (…) noch Hinnehmbaren“ gewesen seien. Vielmehr sei sie eindeutig in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Das Gericht entwickelte auch eine Matrix als Referenz für künftige Fälle. Denn um Auskunft von Facebook zu erhalten, ist die „Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB“ notwendig – und wann diese vorliegt, war durchaus umstritten, wie die „Haarscharf“-Formulierung der Berliner Gerichte zeigt. Künast bejubelte die Entscheidung aus Karlsruhe zurecht als einen guten Tag für die Demokratie und „Rechtsgeschichte im digitalen Zeitalter“.

Apple: Verschärfter Datenschutz beschert Facebook 10 Milliarden Euro Verlust

Seit einer Weile sind Anbieter in Apples App-Store verpflichtet zu fragen, ob sie zu Werbezwecken das Verhalten der Kunden quer über verschiedene Dienste und Websites nachverfolgen dürfen. Wie zu erwarten, lehnten sehr viele iPhone-User dies ab. In einer Studie ist von 54% die Rede. Anzeigen können so schwieriger persönlich zugeschnitten werden. Meta kalkuliert, dass diese Maßnahme allein im Jahr 2022 rund 10 Milliarden Dollar kosten wird. Auch Google wird wohl bald ähnliche Maßnahmen ergreifen – weshalb Meta schon an seinem eigenen Betriebssystem arbeitet.

Vergleichsweise klein fiel da die Strafe der französischen Datenschutzbehörde gegen Facebook und Google aus – auch wenn es sich mit 60 Mio. Euro und 150 Mio. Euro um die höchsten Strafen handelt, welche diese je verhängt hat. Grund: Nutzer konnten Cookies nicht genauso leicht ablehnen wie annehmen; zum Ablehnen waren mehrere Klicks notwendig.

Die Lösung: Datenschutz anpassen oder abschalten?

Wenn man seine Geschäftspraktiken nicht anpasst, sollte es auch nicht wundern, wenn man ein Bußgeld nach dem nächsten kassiert. Meta schaltet aber weiter auf Angriff: In einem Bericht an die US-Börsenaufsicht schrieb das Unternehmen, es würde überlegen, bestimmte Dienste in Europa abzuschalten. Namentlich genannt wurden Facebook und Instagram. Sinngemäße Begründung: Wenn wir unsere Daten nicht weltweit umherschicken dürfen, wie wir wollen, lohnt sich das für uns eventuell nicht, wenn es nicht bald einen „neuen transatlantischen Rahmen für den Datentransfer“ als Nachfolger für Safe Harbour und Privacy Shield gibt. WhatsApp wird wohl explizit nicht genannt, da Meta gern vage bleibt, ob hier auch Werbung Teil des Geschäftsmodells ist.

Meta bezog sich in einer Stellungnahme außerdem auf den von der EU geplanten Digital Markets Act zur Begrenzung der Macht großer Digitalkonzerne sowie den Digital Services Act, der u.a. das Tracking, um gezielter Werbung ausspielen zu können, strenger reguliert. Beide Gesetzesvorhaben haben bereits das EU-Parlament passiert; sie befinden sich derzeit im Trilog der EU-Institutionen. Facebook und Co. lobbyieren dagegen massiv. Hoffen wir, dass die EU stark bleibt und sich nicht von Metas leeren Drohungen unterkriegen lässt.

Mehr Informationen zu den geplanten Gesetzesvorhaben der EU findet man zum Beispiel hier und hier. In den nächsten Wochen wird es auch von mir dazu noch mehr geben.

Foto: Adobe Stock | Yasir Design

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