Supermarkt-Apps: Ein bisschen sparen gegen Bezahlung mit Daten?

Vor allem in Zeiten ständig steigender Preise suchen viele Menschen nach Wegen, Geld zu sparen. Inzwischen hat jeder Supermarkt eine hauseigene App, in der man Einkaufszettel anlegen, die aktuellen Angebote der Woche einsehen und auch Coupons für zusätzliche Rabatte (oder Punkte) exklusiv für App-Nutzer aktivieren kann. Manche Apps haben auch Rezeptvorschläge und berechnen, welche Menge von welcher Zutat man dafür kaufen – oder bestellen – sollte.

Außerdem kann man seine Kundenbindungskarte (wie Payback oder DeutschlandCard) und seine Bankdaten hinterlegen, um an der Kasse mit nur einem QR-Code, einer PIN oder via NFC bezahlen und entsprechende Punkte in einem Vorgang sammeln zu können. Das beschleunigt zumindest den Bezahlvorgang an der Kasse. Nach dem Einkauf bekommt man dann seinen Einkaufszettel auch digital und wird darauf hingewiesen, wie viel man dank der App diesmal gespart hat.

Ein positiver Effekt ist sicherlich, dass das Papier zum Drucken von Werbeprospekten eingespart wird, zumindest wenn man dank der App den „Keine-Werbung“-Sticker an seinem Briefkasten anbringt. Die Supermärkte sparen so außerdem Kosten für Papier, Druck und den Lohn für die Austräger.

Vor allem dienen die Apps aber der Kundenbindung – und nicht etwa der Ersparnis für die Kunden: Abgesehen von Sonderaktionen bekommt man in der Regel nur 0,5% „Rabatt“ in Form von Punkten sowie ein paar Cent auf 3-4 Produkte, die in der aktuellen Woche mit der App nochmal etwas billiger sind als ohne. Das Ziel ist also, wie bei den traditionellen Angeboten, Kunden in den Supermarkt zu locken, damit sie dort auch ihre übrigen Einkäufe (natürlich zum Normalpreis) erledigen.

Im Gegenzug liefert man den Supermärkten dafür seinen Namen, E-Mail-Adresse, oft auch Geburtsdatum, Telefonnummer, Postadresse, Bankdaten, und natürlich Informationen zu seinem Einkaufsverhalten. Erst recht in Verbindung mit Payback und DeutschlandCard ergibt sich ein großer Datenschatz, da man so marktübergreifend noch viel mehr über das individuelle Einkaufsverhalten und ggf. sogar die Lebenssituation eines Kunden weiß. In der Regel bitten die App-Betreiber nämlich um die Einwilligung zur Auswertung des Einkaufsverhaltens; die Payback-App beispielsweise möchte auch gern den Standort tracken und auf das Mikro zugreifen. Edeka wiederum erlaubt externen Analyse-Unternehmen das Tracking und z.B. Lidl nutzt externe Bezahldienstleister fürs Bezahlen zum Aufladen von Elektroautos.

Was könnten die Apps herausfinden? Wenn man als Frau plötzlich keinen Alkohol mehr kauft, könnte das Unternehmen daraus schließen, dass Sie schwanger sind und z.B. Coupons für Schwangerschafts-Vitaminsäfte, oder später dann für Babybrei und Windeln anbieten. Anhand der besuchten Filialen und der dort getätigten Einkäufe kann die App auch nachvollziehen, wo man gerade Urlaub macht oder ob man z.B. beruflich unterwegs ist, ob man umgezogen ist und so weiter. Wenn man kein Fleisch, sondern nur noch Veggie-Produkte kauft, ernährt man sich fortan wohl vegetarisch oder vegan, und plötzlich tauchen Rabattaktionen für Sojaschnitzel, Tofuwürstchen & Co. in der App auf. Und wenn bestimmte Produkte nie gekauft werden, könnte das auch auf eine Allergie hindeuten. Die Apps passen sich praktisch unbemerkt an und wissen mit der Zeit allerhand über ihre Nutzer.

Am Ende ist es wie so oft mit Online-Angeboten: Sie verleiten dazu, dass jeder in seiner Blase bleibt. Und wenn man „seinem“ Markt mal eine Woche fernbleibt, weiß die App ja durch Analyse des Einkaufsverhaltens, was ihr Nutzer gern kauft, und könnte ihn dann mit individuellen Coupons in „seinen“ Markt zurücklocken. Sofern die Preise dann aber auch noch individualisiert werden, um das Maximum aus jedem Kunden herauszuholen, muss der Nutzer informiert werden, dass der Preis auf Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wurde. Dass solche personalisierten Preise in Deutschland in großem Stil eingesetzt werden, darauf gibt es jedoch noch keine Hinweise.

Rewe möchte Gerüchten zufolge noch mehr über seine Kunden wissen und erwägt derzeit offenbar die Abkopplung von Payback, damit die Kunden stattdessen die Rewe-App nutzen. Und in Norwegen will die Statistik-Behörde es ganz genau wissen und fordert die großen Lebensmitteleinzelhändler auf, täglich mehrere Millionen Kassenbons an die Behörde weiterzuleiten (ohne die Einwilligung der Kunden einzuholen!), damit sozio-ökonomische und regionale Cluster im Verbraucherverhalten statistisch ermittelt und Rückschlüsse auf Einkommen, Bildungsstand und Wohnort gezogen werden können. In der Vergangenheit sind ähnliche, noch analog erhobene Daten und Statistiken unter anderem in Steuer- und Sozialgesetzgebung eingeflossen – in diesem Jahr soll das Ganze nun erstmals digital ablaufen.

Wenn das bis hier noch harmlos, oder sogar praktisch klingt: Die Apps könnten ihre Daten theoretisch auch z.B. an Versicherungen weitergeben, die dann erfahren, wie ungesund sich jemand ernährt oder wie viel Alkohol und Zigaretten jemand kauft. Entsprechend dieser Daten könnte die Versicherung z.B. die Beiträge individuell anpassen oder den Abschluss der Versicherung von vorn herein ablehnen. Payback gibt zwar an, keine personenbezogenen Daten zu verkaufen. Die Daten sammeln, speichern und verwerten die verschiedenen Payback-Partner aber selbst; lediglich die Daten von Apotheken und Sparkassen werden nicht an Payback weitergegeben. Hier auf Schutz durch die DSGVO zu vertrauen, könnte sich als naiv herausstellen.

Ob und wann sich in Deutschland die aus den USA bekannten kassenlosen Amazon-Supermärkte durchsetzen – wo anhand von Sensoren und Kameras beobachtet wird, wer welches Produkt mitnimmt und dann die entsprechende Summe vom Konto abgebucht wird – lässt sich noch nicht abschätzen. Was es aber schon gibt, sind Mini-Märkte ohne Mitarbeiter, z.B. „Teo“ von Tegut, wo Kunden ihre Ware ausschließlich selbst scannen und bezahlen, nachdem sie sich vorher die entsprechende App besorgt und registriert haben.

In über 200 Amazon-Märkten muss man sich derweil nicht mal mehr per Handy (das könnte man ja zuhause vergessen haben), sondern per Handabdruck identifizieren. Das Kassensystem weiß dann, wer man ist, und bucht von dem Konto ab, das zuvor dieser Hand zugeordnet wurde. Amazon lädt diese Daten dann auch noch in einer Cloud hoch. In China, wo in der App „WeChat“ ohnehin schon allerhand Funktionen gebündelt sind, könnte das Konzept bald überall zur Anwendung kommen, auch wenn die Bevölkerung durchaus zurecht noch skeptisch ist. Eine Bankkarte oder einen Handy-Account kann man sperren – aber wenn einmal das Handflächenmuster gestohlen wurde, lässt sich das nicht wieder gut machen.

Wer sich der Datennutzung in Supermärkten bewusst ist und sie bewusst in Kauf nimmt, kann mit Supermarkt-Apps kleine Beträge sparen. Das Ziel für die Märkte bleibt aber Kundenbindung mit allen Mitteln. Nicht ohne Grund hat ja auch jeder Markt seine eigene App, oder sogar mehrere – darunter so unnütze wie ein digitaler Einkaufschip. Um Tracking zu vermeiden, hilft es nur, sich durch die Datenschutzeinstellungen zu kämpfen, und im Zweifelsfall die App zu löschen. Oftmals ändern sich die Bedingungen auch, wenn die App ein Update bekommen hat. Auch dann sollte man nochmal das Kleingedruckte überprüfen.

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