eiDAS 2.0 – Identitätsnachweise im digitalen Zeitalter

Die EU-Kommission macht sich auf zum Endspurt der aktuellen Legislaturperiode: Möglichst noch vor der Europawahl 2024 soll die 2. Verordnung zur europäischen digitalen ID (eIDAS 2.0 – Verordnung, d.h. „Electronic Identification, Authentication and Trust Services“) stehen – das Update zur aktuellen Verordnung von 2014. Die finale Verabschiedung auf EU-Ebene wird bis Ende 2023 erwartet. Ende Juni 2023 haben sich die Mitgliedstaaten und das Europaparlament auf die Kernelemente der Vorgaben für die geplante europaweite elektronische Identität geeinigt:

 

Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent der EU-Bürger eine digitale Lösung für den Zugang zu wichtigen öffentlichen Diensten nutzen können. Mit der Einrichtung von „EU Digital Identity Wallets“ sollen z.B. Personalausweis, Krankenkassenkarte, Führerschein und was man sonst noch so im Portmonee hat, digital aufs Smartphone kommen – schließlich klappt das bei Bankkarten und BahnCard auch schon seit ein paar Jahren. Das ID-Wallet könnte künftig nicht nur bei Verwaltungsvorgängen und Bankgeschäften, sondern auch bei Arztbesuchen, Alterskontrollen, beim Kauf von Konzerttickets oder bei Hotelbuchungen zum Einsatz kommen.

 

Hier droht auch schon die erste Gefahr: dass man sich künftig, einfach weil es so einfach ist, für alles ausweisen muss. Das entsprechende Stichwort lautet „Function Creep“: Wenn es eine Überwachungstechnik erstmal gibt, dann werden einzelne Politiker früher oder später fordern, diese auch umfassend zu nutzen und z.B. auf eine Identifizierungspflicht in Messengern, auf Plattformen und in Foren pochen – es droht der Verlust der Anonymität im Internet, denn wer sich nicht identifizieren möchte, bleibt außen vor.

 

Anfangs hatte die EU-Kommission sogar eine eindeutige dauerhafte EU-weite individuelle Personenkennziffer vorgeschlagen – nachdem zahlreiche NGOs und Datenschützer aber gewarnt hatten, dass dadurch das persönliche Nutzungsverhalten online wie offline „mit ungekannter Genauigkeit“ erfasst werden und wir dadurch noch gläserner werden würden, wurde die Idee in den Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Ministerrat verworfen. Die vielen sensiblen Identitäts-, Finanz- und Gesundheitsdaten stellen ein überaus interessantes Ziel für Unternehmen wie auch Kriminelle dar – bislang sind aber keine Rechtsmittel vorgesehen, die es den nationalen Behörden ermöglichen, gegen betrügerische Akteure vorzugehen und diese aus dem eIDAS-Ökosystem auszuschließen.

 

Anfang Juni hat das Bundesinnenministerium parallel zum Trilog einen Konsultationsprozess zur ID-Wallet gestartet und die Öffentlichkeit zur Beteiligung aufgerufen. In einem Diskussionspapier wurden als Nutzungszwecke u.a. Führerschein, Abschlusszeugnisse, Geburts- oder Heiratsurkunde, Zahlungsdaten, ärztliche Rezepte und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Führungszeugnisse, Immatrikulationsbescheinigungen und Studienzeugnisse, personalisierte Tickets und digitale Unterschriften identifiziert.

 

Die deutsche eIDAS-2.0-Infrastruktur soll an bestehende Infrastrukturen wie den schon sei 2010 so heißenden elektronischen Personalausweis / elektronischen Aufenthaltstitel und die „dezentrale deutsche Registerlandschaft“ andocken. Die Infrastruktur soll von Anfang an auf der Basis von Privacy by Design und Open Source entwickelt werden, aber nicht mittels Blockchain. Parallel dazu existiert seit 2019 auch die BundID, die vor einigen Monaten in den Schlagzeilen war, weil Studierende und Fachschüler nur über sie die 200 Euro Energiepauschale beantragen konnten. Für den digitalen Ausweis etc. ist dann die „AusweisApp2“ vorgesehen. Und dank des im Mai 2023 vom Kabinett beschlossenen Gesetzes zur Digitalisierung der Verwaltung sollen künftig digitale Anträge deutschlandweit über die BundID als zentrales Bürgerkonto gestellt werden können, z.B. für die Kfz- oder Führerscheinanmeldung, die Ummeldung, die Eheschließung, eine Baugenehmigung und das Elterngeld. Da dies jedoch alles Dienstleistungen der Kommunen sind, besteht hier noch erheblicher Gesprächsbedarf zwischen den Beteiligten – das Gesetz enthält deshalb auch kein verbindliches Datum, wann man diese Behördengänge digital erledigen kann.

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