Was passiert eigentlich mit den eigenen Online-Daten, wenn man stirbt?

Darüber musste kürzlich mal wieder ein deutsches Gericht verhandeln. Das Landgericht Münster hat Apple dazu verurteilt, den iCloud-Account für die Angehörigen eines verstorbenen Mannes zu öffnen. Dieser war unter ungeklärten Umständen im Ausland ums Leben gekommen. Deshalb erhofften sich die Angehörigen von den Fotos, E-Mails, Dokumenten etc. in der iCloud Aufschluss über die Hintergründe. Apple hatte sich zunächst geweigert, das Passwort und damit die gespeicherten Daten preiszugeben. Warum, ist nicht klar. In früheren Fällen wurde der Zugang auch ohne Gerichtsverfahren nach Vorlage eines Erbscheins in der Regel gewährt.

Das Landgericht Münster hat mit seinem Urteil nun klargestellt, dass ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2018 auch für andere Online-Dienste gilt: Damals gab der BGH den Eltern einer 15-Jährigen, die 2012 von einer U-Bahn erfasst worden war, recht, dass sie auf das Facebook-Konto ihrer Tochter zugreifen dürfen, um herauszufinden, ob es sich um einen Unfall oder einen Suizid handelte. Das Profil war nach dem Hinweis eines Nutzers in den Gedenkzustand versetzt worden. Nachrichten können dann nicht mehr gelesen werden, auch wenn Benutzername und Passwort bekannt sind. Der BGH entschied: Auch persönliche Inhalte im Internet fallen grundsätzlich an die Erben. Digitale Inhalte seien demnach genauso zu behandeln wie Briefe oder Tagebücher.

Das Verfahren hatte zuvor mehrere Instanzen durchlaufen: Das Berliner Landgericht entschied zunächst im Sinne der Eltern. Facebook legt Berufung vorm Berliner Kammergericht ein und bekam dort Recht, dass die Eltern aufgrund des Fernmeldegeheimnisses keinen Zugang zum Facebook-Konto ihrer Tochter bekämen könnten. Facebook argumentierte, dass das Fernmeldegeheimnis für die Kontaktpersonen der Tochter weiter bestünde: Die Freundinnen und Freunde der Verstorbenen hätten nicht gewusst, dass ihre Nachrichten einmal von anderen Personen gelesen würden.

Der BGH sah sich nun die AGB von Facebook genau an, denen das Mädchen bei der Anmeldung zustimmen musste. (Es sei einmal dahingestellt, dass sie mit 12 Jahren eigentlich noch zu jung für die Registrierung bei Facebook war.) Der Nutzungsvertrag für Facebook schließe eine Vererbung jedenfalls nicht aus. Deshalb, so die Richter, sei auch ein Facebook-Konto vererbbar. Man müsse damit rechnen, dass Nachrichten auch von Erben gelesen werden könnten. Weder Datenschutz noch Fernmeldegeheimnis würden dabei missachtet, so der BGH.

Diese beiden Beispiele zeigen beispielhaft, dass das Thema digitaler Nachlass kein einfaches ist. Und kaum ein Internetnutzer befasst sich damit: Nur 18 Prozent der deutschen Nutzer haben laut einer Bitkom-Umfrage von 2017 entsprechende Vorkehrungen getroffen, davon die Hälfte nach eigener Auskunft vollständig und die andere Hälfte teilweise. Die große Mehrheit hat daran noch keinen Gedanken verschwendet.

Was ist also zu tun?

Da (noch) keine entsprechenden Gesetze fürs digitale Zeitalter bestehen, kann sich die Rechtsprechung nur auf die Gesetze aus der analogen Zeit beziehen. Deshalb ist es besonders wichtig, vor seinem Tod – von dem leider niemand weiß, wann er kommt – Klarheit zu schaffen, um Angehörigen ggf. einen jahrelangen Rechtstreit zu ersparen. Mangels Gesetzen haben die Plattformen ihre eigenen Regeln geschaffen:

Facebook ermöglicht das Festlegen eines Nachlasskontaktes, der sich nach dem Ableben um das Profil kümmern soll. Alternativ kann man auch die Löschung des Kontos nach dem Tod festlegen. Trifft man keine Entscheidung, dann wird das Profil in den Gedenkzustand versetzt: Nachrichten können nicht mehr gelesen werden, nur Beileidsbekundungen können noch gepostet werden. Jeder dieser drei Fälle kann aber nur eintreten, wenn ein anderer Facebook-Nutzer dem Netzwerk den Tod der betroffenen Person mitteilt.

Ähnliche Regeln bietet Google mit seinen Töchtern Gmail und YouTube: Nutzer können auch hier über den Kontoinaktivität-Manager eine Vertrauensperson bestimmen. Wenn der Account längere Zeit nicht verwendet wird, erhält die genannte Person eine Benachrichtigung und kann das Konto im Fall des Todes löschen. Auch wenn man keine Vertrauensperson angibt, lässt sich ein Konto in Abstimmung mit nahen Angehörigen durchaus löschen, erfordert aber etwas mehr Abstimmung und Bürokratie.

Für den Zugriff auf E-Mail-Konten bei GMX und web.de muss ein Erbschein, also die amtliche Urkunde, dass man der Erbe der verstorbenen Person ist, vorgelegt werden; man muss sich ausweisen und schriftlich den Zugriff auf das Konto beantragen. Das digitale Übermitteln durch Scans ist möglich.

Mangels gesetzlicher Regelungen zum digitalen Nachlass entscheiden die Anbieter im Wesentlichen selbst, wer darauf zugreifen darf. In der Regel werden dafür Datenschutzgründe genannt. Den Zugriff einzuklagen ist möglich, kann aber Jahre dauern. Die nach und nach gefällten Urteile können nun als Leitlinien gelten. Dennoch greifen hier Erbrecht, Vertragsrecht und Fernmeldegeheimnis ineinander. Das macht die Sache rechtlich sehr komplex.

Deshalb: am besten zeitnah um den Nachlass kümmern. Weitere Tipps bekommen Sie hier, hier und hier. Im privaten Bereich sind diese Pauschallösungen meist recht einfach handzuhaben und kann auch im Testament festgehalten werden. Auf der Arbeit kann es keine allgemeingültigen Grundsätze geben. Als Arbeitgeber sollten sie mit ihrem Datenschutzbeauftragten ein individuelles Konzept ausarbeiten – für alle Fälle.

Übrigens gibt es gerade auch eine interessante Kampagne zum Umgang mit Fotos von Babys und Kindern auf Sozialen Netzwerken. Denn genau wie Erwachsene haben auch sie ein Recht auf Privatsphäre. Leider sind sie aber noch zu klein, um dieses Recht aktiv auszuüben. Aber wie wir alle wissen: Das Internet vergisst nie. Im Zweifel sind Babyfotos, die früher nur ausgedruckt ins Fotoalbum der Eltern geklebt wurden und dann im Schrank standen, für jedermann weltweit jederzeit einsehbar. Eigentlich wäre es Aufgabe der Eltern, die Privatsphäre ihres Kindes auch online zu schützen. Dennoch machen viele genau das Gegenteil. Für mehr Medienkompetenz wirbt Initiatorin Toyah Diebel unter dem Hashtag #DeinKindAuchNicht.

Bild: Adobe Stock | © Elnur

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