Große Verunsicherung rund um HUAWEI – der Stand der Dinge

In den letzten Wochen haben mich zahlreiche Anfragen rund ums Thema Datenschutz bei Huawei erreicht. Der chinesische Technologie-Gigant war zuletzt häufiger in den Schlagzeilen.

Viele Besitzer von Huawei-Smartphones sind derzeit stark verunsichert, wie lange ihr Gerät noch brauchbar sein wird, falls Google keine Apps bzw. Updates mehr für sein Android-Betriebssystem auf Huawei-Geräten bereitstellen sollte. Deshalb möchte ich in diesem Monat gern die wichtigsten Fakten und Ereignisse zusammenfassen:

Huawei wurde 1987 von Ren Zhengfei gegründet und hat seinen Sitz in der chinesischen Stadt Shenzen. Ren Zhengfei pflegt zwar vergleichsweise engen Kontakt mit der heimischen Regierung, aber ohne diesen wird auch kaum jemand in China ein eigenes erfolgreiches, derart großes Unternehmen auf die Beine stellen können. Huawei hatte erst kürzlich Apple als Nummer 2 auf dem Smartphone-Markt abgelöst und war kurz davor, auch Samsung aus Südkorea vom Thron zu stoßen.

Dieser ambitionierte Plan hat im Mai 2019 einen herben Rückschlag erlitten, als US-Präsident Donald Trump per Dekret im Rahmen des andauernden Handelsstreits zwischen den USA und China den „nationalen Notstand“ gegen Huawei (und mittlerweile auch gegen andere chinesische Firmen) ausrief und wegen mutmaßlicher Umgehung der Iran-Sanktionen auf eine „Schwarze Liste“ setzte. Seitdem müssen Geschäfte mit Huawei gesondert von der US-Regierung genehmigt werden. Trump wirft Huawei vor, im Auftrag der chinesischen Regierung Spionage zu betreiben und Sabotage zu ermöglichen – ohne Beweise dafür vorzulegen.

Behörden in den USA warnen schon seit längerer Zeit vor Huawei. Dabei kann man jedoch nicht zuverlässig einschätzen, ob dies wirklich aus Datenschutz-Motiven erfolgt (schließlich hören auch die USA im großen Stil weltweit ab – wir erinnern uns an Edward Snowden…) oder einfach aus Angst, die technologische Dominanz über den Rest der Welt zu verlieren. Die aktuelle Verunsicherung basiert wohl auf Sicherheitslücken, die man schon im Jahr 2010 in diversen Huawei-Routern gefunden hat und die angeblich der chinesischen Regierung eine Hintertür zu den Daten der Nutzer öffnen soll. Es konnte aber nie abschließend geklärt werden, ob die Lücken absichtlich eingebaut wurden oder einfach nur menschlichem Versagen geschuldet waren. (Ironischerweise bestanden dieselben Lücken noch im Jahr 2017 bei Cisco-Routern aus den USA.)

Und es wird noch besser: Weil die US-Behörden keine Beweise für dem Huawei unterstellten absichtlich schlechten Datenschutz finden konnten, infiltrierten sie die Chinesen kurzerhand selbst und setzten dabei ähnlich fragwürdige Techniken ein, die sie eigentlich in Huawei-Produkten nachweisen wollten. Und während die Geheimdienste einerseits vor Hintertüren in Smartphones warnen, forderten Sie andererseits vor nicht allzu langer Zeit genau eine solche von Apple.

Von Huawei eingeforderte Beweise für die „Hintertür“-Anschuldigungen lieferten FBI, CIA und NSA bisher nicht. Stattdessen wurden Fakten geschaffen: Vor knapp zwei Jahren verkündeten die US-Mobilfunkanbieter Verizon und AT&T – wohl auf politischen Druck aus dem Weißen Haus hin –, Huaweis Spitzenmodell nicht verkaufen zu wollen. Da in den USA 9 von 10 Handys nur mit einem Mobilfunkvertrag verkauft werden, bedeutete die Entscheidung quasi das Aus des neuen Modells. Infolgedessen hat Huawei heute dort einen Marktanteil von unter zwei Prozent. Die Folgen des Trump-Dekrets für die Nutzer in den USA halten sich also in Grenzen. Huawei hat aber zuletzt verstärkt in Europa expandiert – der Marktanteil in Deutschland beläuft sich schon auf über 20 Prozent. Bisher laufen Huawei-Smartphones mit Googles Betriebssystem Android und sind auf Zulieferungen von US-Chipherstellern angewiesen. Aufgrund ihres Firmensitzes in den USA müssen sich diese natürlich an das Trump-Dekret halten. Und obwohl Washington einen Aufschub bis 19. August 2019 gewährte, schränken mehrere Unternehmen schon jetzt ihre Zusammenarbeit mit Huawei ein.

Was bedeutet das nun für Besitzer von Huawei-Smartphones?

Erst einmal ändert sich vermutlich gar nichts. Google hat versprochen, dass vorhandene Geräte weiterhin Zugang zum Play Store und damit zu allen Android-Apps erhalten. Huawei hat außerdem angekündigt, weiterhin Sicherheitsupdates und Updates für seine Smartphones und Tablets bereitzustellen, ohne auf Details einzugehen. An Android-Updates kommen generell alle Gerätehersteller, weil sie „Open Source“ sind. Daran wird sich für Huawei auch in Zukunft nichts ändern. Google prüft derzeit noch die genauen Konsequenzen des Trump-Dekrets. Es ist aber eher nicht zu befürchten, dass Google seine Apps für bestehende Nutzer sperrt.

Anders sieht es jedoch für kommende Geräte-Generationen aus: Huawei verliert wohl seinen privilegierten Zugang zu neuen Android-Versionen, der es ermöglicht, gerätespezifische Anpassungen nach Betriebssystem-Updates so früh wie möglich vorzunehmen – dies wäre ein klarer Wettbewerbsnachteil für Huawei. Außerdem wird Huawei wohl die Google-Apps nicht mehr vorinstallieren können. Für Käufer außerhalb Chinas würden die Smartphones damit so gut wie wertlos. Vodafone in Großbritannien und Amazon in Japan haben Huawei-Geräte bereits aus dem Handel genommen. Huawei selbst rechnet infolge der drastischen Maßnahmen mit einem Absatzrückgang um 40 Prozent in diesem Jahr.

Wie beim Thema Einfuhrzölle schießt sich Trump aber auch mit Huawei so wohl nur ein Eigentor: Einerseits gehen wichtige Aufträge für US-Firmen wie Intel oder eben Google verloren und Huawei wird noch stärker daran arbeiten, unabhängig eigene Hardware zu entwickeln. Bei der Software steht man wohl schon kurz vor dem Durchbruch: Aufgrund der US-Beschränkungen entwickelt Huawei inzwischen ein eigenes Betriebssystem namens Hong Meng (in Europa wird es wohl „Ark OS“ heißen). Nachteil: Während Androids Grundkomponenten „Open Source“ sind – jeder Entwickler kann also in den Quellcode schauen und das System sicherer machen – wird Hong Meng vermutlich nicht auf so viel Transparenz und Überprüfbarkeit setzen. Vielmehr könnte Huawei dann wirklich Spionage-Hintertüren einbauen, die viel schwieriger zu überprüfen wären.

Alles in allem scheint es derzeit so, dass Trumps Verhängung des „nationalen Notstandes“ gegenüber Huawei einer ähnlichen Logik wie der des „nationalen Notstandes“ an der US-Grenze zu Mexiko folgt. Es gibt keine akute Gefahrenlage, sondern eher ein abstraktes Gefühl der Bedrohung. Der Zeitpunkt fällt mit der Versteigerung bzw. Einführung der 5G-Mobilfunkfrequenzen in vielen Ländern zusammen. Huawei ist nämlich nicht nur der zweitgrößte Smartphone-Anbieter der Welt, sondern auch der unangefochtene Weltmarktführer bei der 5G-Technologie. Spanien und Großbritannien haben gerade in mehreren Großstädten als erste Länder überhaupt 5G dank Huawei eingerichtet (auch wenn Großbritannien – am Rande des Brexits und der Suche nach einem neuen Premierminister – auch noch den Ausschluss von Huawei debattiert, auch auf Druck der USA.) In Australien und Neuseeland waren die US-Amerikaner schon erfolgreich und haben den Ausschluss von Huawei erwirkt. Auch Frankreich will Huawei ausbremsen. Gleichzeitig baut z.B. Russland die Beziehungen zu Huawei demonstrativ aus.

Wie Deutschland sich positioniert, dürfte eine Signalwirkung für andere Länder haben. Kanzlerin Merkel, Wirtschaftsminister Altmaier und die Bundesnetzagentur verfolgen dabei die Linie: „Wir diskriminieren niemanden, nur weil er ein bestimmter Anbieter ist.“ Das deutsche 5G-Netz ist demnach offen für alle, die sich an die strengen Sicherheitsbedingungen halten. Die Bundesregierung befürwortet den generellen Ausschluss von Huawei und anderen Anbietern aus China nicht, sondern setzt auf eine Streuung der Aufträge unter verschiedenen Anbietern, damit Deutschland Innovationsführer beim Internet der Dinge wird. Huawei liefert derzeit ohnehin Netzwerkelemente für den Ausbau der LTE-Netze von Deutsche Telekom, Vodafone Deutschland und von Telefonica (O2). Die deutschen Netzbetreiber setzen beim Ausbau ihrer Netze auf einen Infrastruktur-Mix von Huawei, Ericsson und Nokia. Huawei betont: „Wir liefern nur das Equipment – betrieben und kontrolliert wird 5G von den Netzbetreibern.“

Fakt ist: Die USA schaffen gerade ein internationales Klima der Angst, um Huawei, stellvertretend für China, international auszubooten. Es gibt keine Beweise für die Zusammenarbeit mit Chinas Führung und die US-Behörden haben selbst noch nicht einmal welche vorgelegt. Huawei seinerseits bekräftigt, dass „kein Gesetz in China von irgendeinem Unternehmen verlangt, Hintertüren einzubauen“ und seine Kunden vor jedwedem Regierungseinfluss zu schützen. Solange ein Produkt gut und sicher ist, sollte man es nicht vorverurteilen, nur weil es aus einem bestimmten Land kommt. Es bleibt abzuwarten, wie es nach dem 19. August weitergeht – leider kann niemand vorhersehen, was Donald Trump als nächstes beschließt.

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